EMDR (Eye Movement Desensitiziation and Reprocessing = Augenbewegung Desensibilisierung und Neuverarbeitung)
Geschichte
Francine Shapiro, eine Psychologin aus den USA hat dieses Verfahren 1987 zufällig entdeckt. Selbst an einem Krebsleiden erkrankt, stellte sie fest, dass während eines Spaziergangs im Park, bei dem sie mit ihren Augen den sich bewegenden Blättern der Bäume folgte, sich ihre Gemütsverfassung wesentlich verbesserte. Daraufhin erforschte sie dieses Verfahren mit wissenschaftlicher Präzision und entwickelte es ständig weiter. Heute findet EMDR in vielen Bereichen der Psychotherapie Anwendung.
Was passiert bei einem Trauma?
Bei einschneidenden und/oder lebensbedrohlichen Ereignissen reagiert unser Organismus mit Schock. Dabei gibt es drei Reaktionen:
Angriff (wenn ich mich überlegen fühle), Flucht (wenn ich mich unterlegen fühle), Erstarren (wenn ich mich unterlegen fühle und nicht fliehen kann). Hierbei wird das kognitive Gehirn (linke Gehirnhälfte) vom emotionalen Gehirn (rechte Gehirnhälfte) getrennt. Der Grund hierfür ist, dass im Augenblick der Gefahr eine rein intuitive Reaktion erfolgt. Es ist dabei völlig unwichtig eine logische Begründung für die traumatische Situation zu finden, sie einzuordnen oder in Worte wieder zu geben.* Das ist aber genau das, was erforderlich ist, um ein Ereignis als Erinnerung "abzulegen". Wird das Erlebte nicht vollständig verarbeitet, so können Erinnerungsfetzen in Form von Flashbacks, Alpträumen und getriggerte Situationen immer wieder auftauchen und damit die gleichen Reaktionen beim Betroffenen auslösen wie während des traumatischen Ereignisses selbst, obwohl dieses schon lange vorbei ist.
Für eine vollständige Verarbeitung von Informationen/Ereignissen benötigt der Organismus sowohl das kognitive (linke Hälfte) als auch das emotionale Gehirn (rechte Hälfte) und erst wenn die Vernetzung dieser Teile in Bezug auf das belastende Ereignis aufgebaut ist, kann eine vollständige Verarbeitung erfolgen. Das Geschehene wird zwar noch erinnert, gleichzeitig aber als nicht mehr so belastend empfunden.
Wie funktioniert EMDR?
Der Klient vergegenwärtigt sich das belastende Erlebnis, spürt dabei in seinen Körper, erlebt seine Emotion und benennt die negative Empfindung/Kognition, die er in dem Moment des Ereignisses über sich gedacht hat. Gleichzeitig folgt er mit seinen Augen der links-rechts-Bewegung der Finger des Therapeuten (=bilaterale Stimulation, kann auch in Form von "tapping" auf Handrücken oder Knie erfolgen).
Nach etwa 12 Stimulationen erfolgt eine Pause, in der der Klient seine Empfindungen, Gedanken oder was immer ihn bewegt dem Therapeuten mitteilen kann - das muss er aber nicht.
EMDR funktioniert auch, ohne dass der Klient dem Therapeuten alles erzählt. Natürlich tut sich der Therapeut leichter, wenn er weiß, was im Klienten vor sich geht. Er kann dadurch mögliche Abreaktionen besser vorhersehen und gegebenenfalls abwehren. Aber manchmal sind die Ereignisse so beschämend oder schlimm, dass die Betroffenen sie nicht aussprechen wollen.
Durch die bipolare Stimulation wird die Vernetzung der für die Informationsverarbeitung erforderlichen Gehirnanteile (rechte und linke Gehirnhälfte) aktiviert. Die fragmentierten Erinnerungen werden Stück für Stück wieder zusammengesetzt, so dass sie verarbeitet und als Ganzes im Gehirn "abgelegt" werden können. Das Trauma wird dann nicht mehr als gegenwärtig erlebt, sondern als vergangen. "Ja, es war schlimm, aber es ist jetzt vorbei."
Die 8 Phasen der EMDR-Behandlung
EMDR besteht aus 8 Phasen, in denen der Klient behutsam an den Kern der Belastung herangeführt wird, um dann mit Hilfe der bipolaren Stimulation die Neuverarbeitung zu aktivieren und das belastende Ereignis als Erinnerung endgültig abzuspeichern.
Anwendungsbereiche
Verarbeiten von bewussten und unbewussten Erlebnissen
Anpassungsstörungen
Trauer nach Verlust
lebensbedrohliche Erkrankungen
Depression
Entwicklungs- und Verhaltensstörungen von Kindern
Probleme in Partnerschaft und Familie
Probleme am Arbeitsplatz
Körperliche Symptome (psychosomatische Beschwerden)
Phobien
Angst- und Panikstörungen
Depressionen
Burnoutsyndrom
Psychosomatische Störungen
Schmerzen
Suchtproblematik (hier werden die Ursache bzw. die Auslöser der Sucht behandelt, sodass der Griff zum Suchtmittel unter Umständen nicht mehr nötig ist)